Vor kurzem habe ich Kaja Sadowskis hervorragendes Buch “Fear Is The Mind Killer” gelesen. Abgesehen von dem vielfältigen und tiefgreiffenden Ratschlägen, die ich daraus mitgenommen habe, möchte ich etwas hier im Blog aufgreiffen. Es geht mir dabei um eine klare Differenzierung von Gewalt. Interessanterweise bin ich mit manchen ihrer Konzepte bereits einmal bei einem Seminar von Thore Wilkens über das Kampfringen in Kontakt gekommen.
Sadowski stellt die folgende Heuristik bezüglich Gewalt auf: Gewalt ist ernst oder spielerisch, symmetrisch oder assymmetrisch, sozial oder asozial.
Bei diesen Dimensionen von Gewalt geht sie aber keineswegs von sich ausschliessenden Konzepten aus. Viel mehr stellt sie die gegensätzlichen Begriffspaare als ein Spektrum auf, die uns dabei verhelfen sollen Phänomene mit Elementen von Gewalt besser zu verstehen.
Ernst und Spielerisch
Ob Gewalt ernst oder spielerisch ist, hängt hauptsächlich von dem Ziel der Gewalt ab. Wie der Begriff des Spiels schon andeutet, geht es bei spielerischer Gewalt um das Spiel selbst, bzw. um das Erringen eines Siegs. Spielerische Gewalt beinhaltet Phönomene wie Sparring, gewisse Kampfsport Wettkämpfe, Raufspiele, Hockey und gewisse Arten von Prügeleien sowie manche Formen von Duellen. Spiele zeichnen sich durch explizite und implizite Regelsysteme aus, nach denen man den Sieg erringen kann. Hingegen ist ernste Gewalt oft gerade dadurch bestimmt, dass solche Regeln nicht vorhanden sind. Es geht bei ernster Gewalt viel eher um die physische und oder psychische Zerstörung des Gegenübers. Die deutlichsten Formen ernster Gewalt sind auch die extremsten, wie z.B. Vergewaltigung, Mord, häusliche Gewalt und ähnliche. Sadowski macht ein gutes Argument: sobald eine, in Gewalt involvierte Person, nicht an der Gewalt teilhaben möchte, ist die Gewalt ernst. Die meisten Formen von Gewalt finden sich meiner Meinung nach zwischen ernster und spielerischer Gewalt. Hooligans, die sich nach einem Fussballspiel treffen um sich zu Prügeln und sonstige Schlägereien fallen in diesen Bereich.
Symmetrisch und Asymmetrisch
Ob Gewalt Symmetrisch oder Asymmetrisch ist, hängt am meisten von technischen Details ab. Im alltäglichen Sprachgebrauch bezeichnet man einem symmetrischen Kampf als fair. Das heisst, dass beide Teilnehmenden (es müssen auch nicht nur zwei Leute betroffen sein) sind sich der Situation bewusst und haben ungefähr ähnliche Chancen auf einen Sieg. Das bedeutet nicht, dass es gleich spielerische Gewalt sein muss: Ein Duell, wo beide Teilnehmenden gleich ausgerüstet sind, kann man als symmetrische Gewalt einstufen. Ebenso kann ungleiche Ausrüstung für Symmetrische Gewalt sorgen, wenn z.B. Der physische Zustand der Teilnehmenden stark verschieden ist. Man könnte demnach argumentieren, dass der Zweikampf zwischen Mann und Frau, wie Talhoffer in darstellt, trotz der Ungleichheit für einen Symmetrischen Kampf sorgt.
Sozial und Asozial
Es mag manchen aufstossen, von sozialer Gewalt zu sprechen. Dennoch gibt es sie. Und zudem ist das Verständnis des Unterschiedes zwischen sozialer und asozialer Gewalt aufschlussreich in Bezug darauf, wie die Öffentlichkeit mit Gewalt umgeht. Soziale Gewalt bezeichnet die Arten von Gewaltausübung, die sich nach einem Publikum richtet. Das heisst, dass soziale Gewalt ein ausgeprägtes performatives Element beinhaltet. Beispiele für soziale Gewalt wären öffentliche Kampfsportanlässe, sowie Kampfsport Training, der "Affentanz" zwischen zwei Betrunkenen und Schlägereien zwischen Fanclubs. Soziale Gewalt ist meistens darauf ausgerichtet, soziale Hierarchien zu demonstrieren oder zu verhandeln. Dem gegenüber zeichnet sich asoziale Gewalt dadurch aus, dass ihre Ausübung verborgen bleibt. Die sozialen Konsequenzen der asozialen Gewalt sind nicht in der Absicht enthalten, die hinter dieser Art von Gewalt steht. Die meisten Arten krimineller Gewaltausübung sind formen asozialer Gewalt, da die meisten Kriminellen der Bestrafung entgehen wollen. Typischerweise sind Kriminelle daran interessiert, dass die gesellschaftliche Aufmerksamkeit nicht auf sie gerichtet wird. Eine klare Ausnahme dieser Typisierung sind Terroristen, die ein Ziel haben, welches durch den kriminellen Akt kommuniziert wird.
Beispiele
Sadowski gibt in ihrem Buch auch ein Paar Anwendungsbeispiele. Demnach ist ein Duell eine soziale, symmetrische und ernste Ausübung von Gewalt. Versuchter Mord sei asoziale, asymmetrische und ernste Gewalt. Ein Kampfsportwettkampf sei soziale, symmetrische und spielerische Gewalt, hingegen, wenn man an einem Wettkampf betrügt versucht man soziale, asymmetrische und spielerische Gewalt auszuüben.
Wie bereits zu Beginn angesprochen handelt es sich bei diesen Unterscheidungen um Dimensionen oder Spektren, die sich bei der charakterisierung von Gewalt anbieten. Klare (und "harte") zuteilungen sind schwer möglich, da noch dazukommen kann, dass die Menschen, die an Gewalt beteiligt sind, jeweils verschiedene Perspektiven und absichten mit sich bringen können,, was wiederum das klare Verständnis der Gewalt beeinträchtigen. Trotz dieser Unschärfe ist es wertvoll, verschiedene Typen von Gewalt unterscheiden zu können, damit wir Gewalt besser verstehen können.
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