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Fechtkunst für Alle

Diese Woche wurde ich in einem Interview gefragt, welche Grundbedingungen man braucht um Fechten zu lernen.

Diese Frage lässt sich so nicht beantworten, da sie offen lässt, was mit fechten gemeint ist. Es kommt nämlich darauf an, an welchen Aspekt vom historischen Fechten gedacht ist. Ich möchte nun also eine Bandbreite an Möglichkeiten angeben, was alles mit fechten gemeint sein kann. Dazu muss man wissen dass Fechten, so wie Kämpfen überhaupt erst in dem sozialen Kontext verstanden werden kann. Selbst wenn man an chaotische Schlachten oder Überfälle denkt, ist das kämpfen immer davon abhängig wer daran beteiligt ist und wieso der Konflikt ausgetragen wird. Von hoch formalisierten Duellen und Turnieren bis zu den abscheulichen Grauen der Kriege findet Konflikt zwischen Menschen ZWISCHEN Menschen statt. Konflikt ist eine Art sozialen Kontaktes. Mit sozial ist hier nicht etwa etwas wie freundlich, geschweige denn gerecht gemeint. Sozial bezeichnet in diesem Kontext die einfache Tatsache dass zwei oder mehr Menschen in Kontakt miteinander sind und von den Handlungen der anderen Menschen betroffen sind. Fechten ist meiner Ansicht nach ein Schirmbegriff, der eine weite Bandbreite an sozialen Beziehungen beinhaltet, vom freundlichen Beisammensein bis zum Totschlag. Bei dieser Bestimmung sträubt sich aber der Philosoph in mir: wenn fechten so eine weite Bandbreite an Phänomenen beinhalten kann, wie lässt er sich überhaupt von anderen sozialen Ereignissen unterscheiden? Die Antwort darauf ist ganz einfach: durch Schwerter und schwert-ähnliche Übungsgegenstände.



Wenn wir jetzt wissen, wie man Fechten abgrenzen kann, können wir den Blick "nach innen" richten, also darauf was Fechten alles sein kann.

-Fechten kann ein kompetitiver Sport sein. Beispiele dafür sind das Fechten als olympische Disziplin, wie auch das Turnierwesen im historischen Fechten. Diese Art des Fechtens eignet sich am ehesten für athletische Menschen.

-Fechten kann ein nicht-kompetitiver Sport sein. Wenn man zwar athletisch geneigt ist, aber einem das kompetitive Element von organisierten Turnieren nicht gefällt, kann man den Fechtsport einfach zum Spass betreiben. Dies kann mehr oder weniger athletische Ausprägungen annehmen.

-Fechten kann eine Bewegungsschulug sein. Wie in jedem Kampfsport und jeder Kampfkunst lernt man auch im Fechten seinen Körper gut kennen. Dazu kommt auch das Kennenlernen der physischen Eigenschaften der Schwerter. Idealerweise lernt man beim historischen Fechten eine Bandbreite an Schwertern und anderen Waffen kennen, die jeweils mehr oder weniger verschiedene Bewegungsmuster begünstigen. Dabei lernt man mit verschiedenen Arten des Wiederstandes und der Kräfteeinwirkung umzugehen. Dieser Umgang ist jeweils daran orientiert, die praktizierende Person zu schützen, sei es vor der Klinge des Gegenübers oder vor der selbstverschuldeten Beschädigung des eigenen Bewegungsapparates.

-Fechten kann eine Art sein, sich auszudrücken. Schwerter sind symbolisch trächtige Gegenstände. Sie haben die Kraft sichtbare, sowie unsichtbare Dinge zu zerschneiden. Sich mit einem Schwert durch den Raum zu bewegen schafft Fokuspunkte und Dynamiken, die zum Ausdruck genutzt werden können.

-Fechten kann eine Art sein sich mit (seinen) Vorfahren/Ahnen auseinander zu setzen. Insbesondere historisches Fechten nimmt seinen Ursprung in einer längst vergangenen Zeit. In Europa, so wie überall wo es Menschen gab, haben sie auch auf eine oder andere Art gekämpft. Die Gegenstände, sowie die übertragenen Anweisungen zum Kampf beinhalten die Gedanken der Vorfahren. Welche Prioritäten hatten sie? Warum haben sie sich in Situationen so-und-nicht-anders verhalten? Welche Mittel standen ihnen zur Verfügung und in welchen sozialen Strukturen lebten sie?

-Fechten kann jede mögliche Kombination der oben genannten Aspekte enthalten und auch welche, die hier nicht genannt wurden.


Entsprechend dieser Vielfalt an Aspekten, gibt es auch eine Vielfalt an Fähigkeiten die gefordert werden können. Aber ich hoffe, dass es einigermassen klar geworden ist, dass es für praktisch alle Menschen etwas am Fechten gibt. In der Praxis habe ich selber bisher nur Erfahrung mit Kindern, Übergewichtigen und Autisten gemacht, welche aus der gängigen Norm (was auch immer das heissen mag...) fallen, obwohl da Kinder nicht unbedingt dazu gehören. Und ich weiss noch von einem Fechtlehrer, der blinde unterrichtet. Schlussendlich ist jegliches Handicap einfach ein Faktor, mit dem man rechnen kann. Fechten geht für Alle.

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